Ich empfinde es immer noch als Segen, dass ich in jungen Jahren eine intensive Lehrzeit mit dem indianischen Medizinmann Archie Fire und seinen Verwandten und Freunden aus dem Stamm der Oglala-Lakota (Sioux) durchleben durfte. Von ihm stammt der Satz, der mir in meiner jetzigen Phase oft in den Sinn kommt: “Jede Frau, die hinübergewechselt ist in die schwarze Phase, wie die Lakota die Zeit jenseits des Wechsels bezeichnen (im Gegensatz zur roten, fruchtbaren Phase), wird automatisch zur Medizin-Frau.” Sie hat jahrelang Monat für Monat eine intensive Zeit mit und durch ihre Menstruation erlebt und dadurch einen tiefen Naturbezug, eine Einweihung und viel Wissen erlangt über energetische Zuammenhänge und Vorgänge zwischen den Zeiten und Welten. Sie hat durch ihr monatliches Bluten auch dafür gesorgt, dass das Leben weitergeht. Sie hat den roten Faden Monat für Monat wieder aufgenommen und von Mal zu Mal besser gelernt damit zu leben. Sie hat ihren Weg gefunden mit den starken und herausfordernden Kräften umzugehen, die während und rund um die Tage der Moon-Time (wie die Lakota die Menstruation treffend bezeichnen) wirken.
Jetzt, wo bei mir die rote, fruchtbare Zeit zu Ende ist, verstehe ich erst so richtig, wiesehr ich in diesen Jahren fraglos angebunden war – ob ich wollte oder nicht – an den tiefen Quell der Fruchtbarkeit und des Lebens in meinem Schoß. Was für eine Power war das, Monat für Monat zu fühlen, dass potentiell Leben wachsen kann in mir, dass ich mich dafür oder dagegen entscheiden kann. Nicht nur für ein leibhaftiges Kind, sondern für alles, was ich in diesem Zyklus willkommen heißen will in meinem Leben, oder wovon ich mich verabschieden will, weil es dafür gute Gründe gibt. Jetzt, wo ich die Endlichkeit dieser Phase durchlebt habe und erfahren habe, wie diese Quelle in mir versiegt ist und meine “fruchtbaren Hormone” auf natürlichem Weg nicht mehr zur Verfügung stehen, erlange ich ein Gefühl für die Bedeutung des Besitzes dieser Kräfte.
Ich rate daher meinen Klientinnen, mit denen ich aus verschiedensten Gründen auf das Thema zu sprechen kommen, sich schon während der “roten Jahre” bewusst zu machen, dass sie heilige Schöpferinnen ihres Lebens sind und dass sie die Tage kurz vor oder während der Moon-Time nutzen können für ihre eigenen Visionen.
Es ist so wichtig, dass sie sich auf ihre Stimmungen in diesen Tagen einlassen bzw. sollten sie unbedingt Stunden des Rückzugs einfordern um sich Orte der Kraft schaffen, die sie nach eigenem Gutdünken auf- und zusperren und wo sie sich spiegeln können in ihrer eigenen Tiefe. Wo sie in Stille und absolut ungestört lauschen können auf das, was sich klären will oder zeigen, auf das was hochkommen und geboren werden will in diesen Tagen der monatlichen Reinigung. Damit wir uns zu den Tiefen der Seele hinunterlassen dürfen, wo es feucht ist und lauschig und kühl und warm zugleich und kein global warming, sondern ewiges Sein und unerschütterliche Gegenwart. Die Lakota-Frauen durften sich während der Moon-Time in ein eigenes Tipi, eine eigene Lodge am Rande des Dorfes zurückziehen, nicht etwa, weil man sie aussonderte und sie unrein waren, oder aus dem produktiven Geschehen fielen, sondern weil die Tage in spiritueller Hinsicht so wesentlich waren für den Fortbestand des Stammes. Weil in diesen Tagen die wichtigsten Träume geträumt werden, Inspiration stattfindet und Frauen mit ihrem Innersten wirklich in Kontakt kommen können, sich selber spüren können, Raum für Gefühle geschaffen wurde und der Stoff für das Leben selbst. Reinigung bedeutet das zu fühlen, was im letzten Zyklus frustrierend war und negativ, sich dem zu stellen, was zu viel und was zu wenig gelebt wurde und was es daher zurückzulassen oder in den nächsten Zyklus mitzunehmen gilt. In diesen Tagen werden Nägel mit Köpfen geschmiedet – weltweit. Besser natürlich bewusst, als unbewusst.
Frauen, die noch bluten, haben jedes Monat ein Seminar zum Thema Tiefenökologie oder werden von Gaia gelehrt, wie sie mit den eigenen Ressourcen besser umgehen können, gehen 30 Jahre oder mehr in Gaias Inentivworkshops und erlangen einen internationalen Abschluss als Medicin-Women. Nicht nur bei den Lakota, sondern wie Archie auch immer zu sagen pflegte: “Schwitzhütten und die Lehren meines Volkes sind nicht nur für Natives, sondern für alle Erdenbürger, denn es geht nicht um die Hautfarbe, sondern darum, dass unser aller Blut rot ist!” Auch wenn wir in unserer Kultur keine Lodges oder Tipis mehr am Rande unsres Dorfes haben, sind trotz Klimakrise die Erde und das Leben überall heilig und es gibt so viele Medizinfrauen und Medizinfrauen in spe, dass wir Anlass haben zu ganz viel Hoffnung!